Kinderrechte sind Menschenrechte
WEINGARTEN – „Ich habe Rechte.“ „Ich habe eine Stimme.“ „Ich werde gehört.“ „Ich habe Pflichten.“ Dass die Kinderstimmen aus dem Off kamen, bekräftigte besonders eindringlich den Inhalt der Sätze bei der Ausstellungseröffnung „Demokratieerziehung im Vorschulalter“ in der Pädagogischen Hochschule in Weingarten. Diese sei aber keineswegs eine Abschlussveranstaltung, sondern ein Meilenstein dabei, den Kindern eine Stimme zu geben, wie Fanny Oberrieder-Christin den Gästen versicherte. Die Einrichtungsleiterin vom Kinderhaus Bullerbü des DRK-Kreisverbandes Ravensburg initiierte die Ausstellung gemeinsam mit ihrem Team.
Partizipation von klein auf
Vor etwa drei Jahren begann das Kinderhaus Bullerbü mit dem partizipativen Projekt, was bislang einmalig ist im süddeutschen Raum. Seit dem vergangenen Jahr gibt es dort die von allen Fachkräften unterzeichnete Kinderrechte-Verfassung als Grundlage einer bildungs- und demokratieorientierten pädagogischen Arbeit. Die Fotoausstellung sowie ein Film veranschaulichen, wie Erzieherinnen und Kinder gemeinsam die Rechte und Pflichten erarbeiteten. Egal, ob es um Fragen der Kleidung, Essen oder Schlafen geht: Im Kinderhaus Bullerbü entscheiden die Kinder mit. Gleichzeitig lernen sie, den anderen Kindern die gleichen Rechte einzuräumen, wie sich selbst.
Kinderrechte im Alltag
Dass es um die Kinderrechte weltweit bis heute nicht gut steht, schilderte von der Hochschule Ravensburg-Weingarten Prof. Dr. Jörg Wendorff als Vizepräsident des DRK-Kreisverbandes Ravensburg. Der 12-jährige Juri arbeitet täglich zehn Stunden in einer Fabrik in Bangladesch, um die siebenköpfige Familie mit zu ernähren. Sein Lohn: gering. Die Arbeit in an den Maschinen zu Topfherstellung: gefährlich. Alu-Staub legt sich auf seine Haut und ist schwer abzukriegen. An Schule ist nicht zu denken. Juri hat keine Zukunftsvisionen. Leider ist der Junge kein Einzelfall. „Uns ist bewusst, dass es Kinderrechte gibt, wir sie aber noch nicht leben“, so Wendorff. Und dies trotz UN-Kinderrechtskonvention, die 1989 verabschiedet wurde und der 196 Staaten beigetreten sind. So viele wie keiner anderen UN-Konvention.
Missachtung von Kindern
Elvira Birk vom Verein Frauen und Kinder in Not in Ravensburg hat täglich mit Kindern zu tun, deren Rechte missachtet werden, deren Alltag von Gewalt oder von Übergriffen zwischen den Eltern geprägt ist. In Bezug auf Gewaltprävention werden Kinder nicht mehr zu Opfern und Tätern, wenn sie in ihren Rechten gestärkt und zu demokratie- und empathiefähigen Mitmenschen erzogen werden, zeigt sie sich überzeugt. Grundlage dafür sind die Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte der UN-Konvention, die in Deutschland den Rang eines Grundgesetzes haben. Dem Kinderhaus Bullerbü zollte sie Respekt für das Engagement: „Wir verstehen dies als Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention an der Basis.“ Die Ausstellung fördere ein gutes Miteinander, sensibilisiere Kinder, Eltern, pädagogische Fachkräfte und die Mitbürger. Sie wünscht sich noch viele solcher Kinderstuben der Demokratie wie das Kinderhaus Bullerbü.
Jedes Kind passt dazu
Das Projekt Kinderrechte sei durchaus auch auf Skepsis seitens der Eltern gestoßen, sagte Kristina Matschke vom Elternbeirat. Doch die Eltern seien immer einbezogen worden und heute, so bekräftigte sie, stehe die gesamte Elternschaft hinter dem Projekt. „Auf dem Weg haben die Kinder uns Erwachsene gelehrt, dass jeder einzelne ins System passt, wenn Demokratie wirklich gelebt wird,“ meinte Fanny Oberrieder-Christin. Sie dankte ihrem gesamten Team für das Engagement und den Eltern für das große Vertrauen. Und nicht zuletzt dankte sie den Kindern: für ihre Stimmen, ihre Beschwerden und für ihr Lachen.
Infos zur Ausstellung:
„Demokratieerziehung im Vorschulalter – ein Praxisbeispiel“
Ausstellungsort: Pädagogische Hochschule, Kirchplatz 2, Weingarten
Zeitraum: bis 22. November; Montag bis Freitag von 7 bis 20.30 Uhr und Samstag von 8 bis 16 Uhr.
Führungen und Vorträge gerne auf Anfrage unter kinderhaus.bullerbue(at)rotkreuz-ravensburg.de
Die Ausstellung wurde von der Stadt Weingarten über das Bundesprogramm „Demokratie leben“ finanziell unterstützt.