Gisela Harr: Unermüdliche Netzwerkerin für Menschen mit Demenz
Sie gibt die Selbsthilfegruppe für die Angehörigen in die Hände des DRK-Kreisverbands.
Sehr viele kennen sie. Und wer sie kennt, weiß, dass sie für die Sache brennt. Nämlich die Sorge um die pflegenden Angehörigen und die Menschen mit demenzieller Erkrankung. Nach 33 Jahren des intensiven Engagements gibt Gisela Harr die monatlich stattfindende Selbsthilfegruppe für die Angehörigen in die Hände des DRK-Kreisverbandes Ravensburg. In dessen Gebäude in der Ulmer Straße findet die Gruppe jeden dritten Mittwoch im Monat seit Anfang an statt.
Unermüdlich auf allen Ebenen
Gisela Harr, die von sich als Netzwerkerin spricht, ist überzeugt: „Zum Erreichen des Ziels braucht es viele.“ Verantwortliche von sozialen Trägern, aber auch von Gremien wie dem Kreispflegebeirat sowie politische Entscheidungsträger auf Gemeinde-, Kreis- oder Landesebene bis hin zur Bundesebene hat sie immer wieder für ihr Ziel gewinnen können. Auch Hospizvereine sowie Hochschulen und Bildungsstätten wurden zu Partnern. Gisela Harr wirkte in Arbeitskreisen, als Beisitzerin, Vortragende, Beratende. Unermüdlich suchte sie auch nach Fördermöglichkeiten, um betroffene Menschen mit entlastenden Angeboten unterstützen zu können. Vielerorts traf sie auf Wohlwollen und fand viele Fürsprecher, bestätigt sie rückblickend.
Wenig gesellschaftliche Aufmerksamkeit für Alzheimer
Ein Auslöser für ihr Engagement war die Pflege der Mutter, die an Alzheimer erkrankt war. Ihr Vater und sie hatten die Hauptlast zu tragen. „Man hatte damals gar nichts, an dem man sich orientieren konnte“, blickt Gisela Harr in eine Zeit zurück, in der das Thema Alzheimer noch wenig Aufmerksamkeit in der Gesellschaft erfuhr. Die heute 80-Jährige aber wollte es nicht einfach hinnehmen, dass man die Menschen in dieser Situation allein lässt.
Eine Stimme für andere Menschen
Denkwürdig und der offizielle Startschuss für ihr Engagement war daher die erste Veranstaltung der Selbsthilfegruppe für pflegende Angehörige am 4. Juli 1990 im Landkreis Ravensburg in Zusammenarbeit mit der AOK Bodensee-Oberschwaben. All die Jahre über hatte sie das Ziel vor Augen, für Menschen einzustehen, die keine Stimme haben. Den Angehörigengruppen in Friedrichshafen und Ravensburg folgte daher 1996 die erste Betreuungsgruppe für an Demenz erkrankte Menschen in Trägerschaft des DRK-Kreisverbandes Ravensburg.
Ständig auf der Suche nach Partnern
Unermüdlich klopfte sie bei Entscheidern an, um Wege zu finden, den Betroffenen in ihrer Situation Entlastung zu bieten. Zu Beginn ihrer Arbeit, so schildert sie, sei sie etwa bei Sitzungen und in Arbeitskreisen häufig die einzige Ehrenamtliche unter ausschließlich hauptamtlichen Fachleuten gewesen. In unzähligen Gremien saß sie und reiste oft quer durchs Land. „Bahnfahren habe ich gelernt“, erläutert die durchsetzungsstarke Frau mit ihrem eigenen liebenswürdigen Humor.
Kaum Vorreiter
Alles hat sie sich von der Pike auf selbst erarbeiten müssen. Es gab kaum Vorreiter, abgesehen von den Alzheimer Gesellschaften München und Berlin, bei denen sie sich Infos und Rat holte. Ein Meilenstein war dann auch die Gründung der Alzheimer Gesellschaft Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart im Juni 1994. Hier war sie nicht nur Mitinitiatorin, sondern auch 14 Jahre lang stellvertretende Vorsitzende. Für ihr gesamtes Engagement erhielt die Mutter dreier Kinder und Oma mehrerer Enkel viel öffentliche Anerkennung, bis hin zum Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, der ihr 2001 überreicht wurde. 2014 erhielt sie außerdem das Bundesverdienstkreuz am Bande.
Eng verbundene Mitstreiterinnen
Die Gruppe für pflegende Angehörige leitete sie teilweise zusammen mit Mitstreiterinnen. Von 2001 bis 2003 mit Beate Groeper, die den ersten Demenzwegweiser im Landkreis Ravensburg mitinitiierte. Besonders hebt sie Gabriele Schnell für ihr Engagement hervor. Die beiden eng verbundenen Frauen leiteten die Gruppe gemeinsam von 2004 bis 2020. Doch auch den Aufbau des Tanzcafés „Frohsinn“ für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen in der Seniorenbegegnungsstätte „Haus am Mühlbach“ in Weingarten und der Begleitdient „Odem“ für Menschen mit Demenz im Krankenhaus St. Elisabeth verwirklichten die beiden miteinander. Auch beim Freizeit- und Urlaubsangebot war Gabriele Schnell maßgeblich mit von der Partie. Pflegende Angehörige können sich einmal im Jahr mit der zu pflegenden Person für einen gemeinsamen Urlaub im Haus Regina Pacis in Leutkirch anmelden. Die Pflege übernehmen dann Fachkräfte.
Verabschiedung mit tiefem Dank verbunden
Mitte Juli lud der DRK-Kreisverband Ravensburg zum Dankeschönfest. Eingeladen waren pflegende Angehörige, ehrenamtlich Engagierte und die Gruppenleitungen der Betreuungsgruppen für demenziell erkrankte Menschen. In diesem Rahmen verabschiedete DRK-Kreisgeschäftsführer Gerhard Krayss Gisela Harr. Er versprach, ihr Erbe in ihrem Sinne weiterzuführen und bedankte sich für die erfolgreiche Pionierarbeit und das unermüdliche Engagement. Die Fortführung der Gruppen bestätigt Gisela Harr in ihrer Überzeugung: „Ich bin froh und dankbar, dass ich mit dem DRK-Kreisverband Ravensburg einen guten Verbündeten gefunden habe.“